Trompetenwarnruf (Mariacki-Hejnał) - die berühmteste polnische Melodie

Blick auf einen Mann in Uniform, der eine Trompete in der Hand hält und den Warnruf jede volle Stunde aus dem Turm der Krakauer Marienkirche spielt
Jeder, der nach Kraków kommt, selbst aus dem entlegensten Land der Welt, möchte unbedingt den Trompetenwarnruf der Marienkirche hören. Auf den ist die ganze Stadt stolz und er gehört zu den Wahrzeichen Polens. Nicht viele wissen jedoch, dass damit eine dramatische, aber auch stolze Geschichte verbunden ist. Diese fünf einfachen Töne, die auf einer Blechtrompete gespielt werden, sind fast der Inbegriff der polnischen Geschichte. Also jetzt zuhören...

Es ist eine Geschichte, in der sich Fakten mit Legenden, Wahrheit mit Geheimnis und Menschen mit Geistern mischen. Diese Geschichte, die in Kraków beginnt, setzt sich in Asien, auf einem Gipfel mit dem größten Kloster Europas, aber auch im fernen Usbekistan und in den USA fort. Dem Prof. Michał Rożek zufolge, war der Mariacki-Warnruf das Element, das die Stadt Kraków auf der Welt wie sonst nichts berühmt gemacht, solange der Karol Wojtyla zum Papst Johannes Paul II. gewählt wurde. 

Was für ein Ruf ist das?

Der Mariacki-Warnruf (auf polnisch: Hejnał) ist eine sehr einfache Melodie, die auf fünf Noten in der Tonart F-Dur basiert. Den Musikwissenschaftlern zufolge, handelt es sich um ein auf historische Signalrufe, die einst oft zum Beispiel in Ungarn oft gespielt waren, zurückgreifendes Schema. Das Wort „Hejnał“ bedeutet auf Ungarisch Morgengrauen, Morgenröte, Morgen. Der Warnruf wird jede voll Stunde aus dem Turm einer der schönsten Kirchen Polens - der Marienkirche von einem Trompetenspieler der Krakauer Feuerwehr gespielt. Einmal am Tag, um 12 Uhr, wird der gespielte Warnruf live durch den Polnischen Rundfunk übertragen. Vor dem Einsturz des höchsten Baus der Welt - des Funkmastes in Gąbin - 1991 war die Warnrufübertragung auf fast allen Kontinenten gut zu hören. Die Feuerwehrleute spielen den Warnruf aus den Fenstern des Turms, die in die vier Weltrichtungen ausgerichtet sind. Die Richtung hat dabei eine symbolische Bedeutung. Gegen Süden wird der Warnruf in die Richtung des königlichen Wawel-Schlosses für den König gespielt. Gegen Westen für den Bürgermeister und die Ratsherren, gegen Osten für die Kaufleute und gegen Norden für die Gäste, die durch das Florianstor das Stadtgebiet betreten. Also auch für Sie.


Wie alt ist der Warnruf Hejnał? Sehr alt! Woher wissen wir das? Es sind Rechnungen aus dem Jahre 1392, also ein Jahrhundert vor der Entdeckung Amerikas, erhalten geblieben, die belegen, dass die Stadt die Wächter und Trompeter der Marienkirche, die die Stadt vor Brand oder Angriffen fremder Heere geschützt haben, für ihre Dienste bezahlt hat. Der Trompeter hat außerdem jeden Morgen und Abend einen Signalruf zum Öffnen und Schließen der Stadttore gespielt. Es ist jedoch nicht überliefert worden, welche Melodie damals gespielt wurde.


Wenn Sie vor der Marienkirche stehen und versuchen, die goldene Trompete in der Höhe zu sehen und dem Warnruf zu lauschen, werden Sie dadurch überrascht sein, dass die Melodie sehr abrupt aufhört. Wieso? Das soll eine Erinnerung an die Mongoleneinfälle aus dem 13. Jahrhundert sein. Ist diese Melodie also schon damals gespielt worden?

Über das größte Land der Welt, das Kraków erniedrigen wollte

Jeder von uns kennt den Namen von Dschingis Khan, einem der größten Führer der Geschichte und Gründer des mongolischen Reiches, das zu Beginn des 13. Jahrhundert zu einer Weltmacht wurde. Nach dem Tod von Dschingis Khan 1227 haben seine Nachfolger beschlossen, die Grenzen des Reiches noch weiter auszudehnen, sich den ruthenischen Staat zu unterwerfen und die mitteleuropäischen Länder, wie Ungarn und Polen, das damals in separate Provinzen aufgeteilt und dadurch in einer schweren Krise war, auszubeuten. Sie haben große Expeditionen auf sich genommen und bald die polnischen Gebiete beispiellos verwüstet. Oft stellen wir uns die mongolischen Invasoren als primitive und grausame Krieger vor, aber sie haben ein hochentwickeltes Reich aufgebaut, das sich vom Ochotskischen Meer bis in den Südosten des heutigen Polens erstreckt und sich durch eine perfekte Diplomatie, eine globale Strategie, Geheimdienste und fortschrittliche Militärtechnik - einschließlich Kampfgasen - sowie ausgeklügelte Methoden zur Irreführung des Feindes ausgezeichnet hat. In der über sieben Tausend Kilometer von Kraków entfernten Hauptstadt des mongolischen Reiches hat man genau geplant, welche Länder und Städte anzugreifen seien, welche Wege das Heer beschreiten soll und wo die Zusammenkunft der beiden Armeen geplant war. Die Mongolen haben versucht, die Nachbarstaaten vom Kampf auszuschließen, damit das Hauptziel des Angriffs keine Chance auf eine externe Unterstützung hätte. Die mongolischen Heeren haben Polen dreimal angegriffen: 1241, zur Jahreswende 1259/1260 sowie 1287/1288. Jedes Mal haben sie Małopolska geplündert. Viele Städte, Schlösser und Klöster in Małopolska wurden zerstört, Zehntausende von Menschen in Gefangenschaft genommen. Kraków war auch das Ziel des Angriffs, konnte nicht bezwungen, wurde aber teilweise stark zerstört. Insbesondere während des dritten Angriffs hat die mächtige Streitmacht des Kommandanten Telebog versucht, die Wawel-Burg zu stürmen und ist dann weiter nach Podhale gezogen, wo sie in der Schlacht bei Dunajec von einer irregulären Goralen-Armee besiegt wurde! Auf dem Rückzug wurde das Telebogs Heer außerdem in der Schlacht bei Stary Sącz von den polnischen Rittern bitter geschlagen. Diese Kriege haben zu einem Zusammenbruch der Zivilisation geführt, der in dieser Form im damaligen Westeuropa unbekannt war. Nach Westeuropa haben die Invasoren nie geschafft, obwohl sie einen solchen Angriff geplant haben. Ihre Kräfte waren durch Kriege mit Polen und Ungarn erschöpft.


Der Legende nach, soll ein Mongolenkrieger bei einem dieser Angriffe mit einem Pfeil den Trompetenspieler getroffen haben, der die Einwohner der Stadt vor dem heranziehenden Feind, der einen Tunnel unter der Stadtmauer gegraben hat, warnen wollte. So ist der Warnruf unerwartet abgebrochen worden und wird seitdem mit einer dramatischen Pause am Ende gespielt.

Große Kirche einer großen Stadt

Wenn man vor der Marienkirche steht, fragt man sich sicherlich, wie es möglich sein könnte, einen Trompetenspieler mit einem Pfeil zu treffen, der sich auf einem Turm in 80 Meter Höhe befand? Zur Zeit der Mongolenkriege stand an dieser Stelle eine ältere, romanische Kirche, die sicherlich kleiner war, aber auch einen Turm hatte. Die sakralen Bauten haben damals oft eine Wehrfunktion gehabt. Der Turm musste damals viel kleiner sein, also war ein Pfeilschuss durchaus möglich. Während des Mongolenüberfalls ist die Kirche auch komplett vernichtet worden. Einige Jahre nach dem Angriff des Telebogs Heers hat man an der Stelle eine neue gotische Kirche erbaut, die im darauf folgenden Jahrhundert neue Einrichtung erhalten hat. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist der Nordturm aufgestockt und 1666 ist die heutige goldene Krone aufgesetzt worden. In künstlerischer Hinsicht ist das eine der schönsten Kirchen in ganz Polen. In dem reizvollen gotischen Raum findet man das größte, 1477-1489 von dem Nürnberger Meister Weit Stoß gebaute, hölzerne Altarbild Europas - ein Werk, das bis heute durch seine detailtreue Darstellung von Figuren und einer Vielzahl von Details begeistert. In der Kirche kann man auch eine aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammende, von den größten zeitgenössischen Malern: Jan Matejko, Stanisław Wyspiański und Józef Mehoffer, erschaffene Polychromie bewundern.


Zurück zu den Mongolenkriegen. Zu dieser Zeit war Polen durch eine tiefe Krise geschwächt. Das Land war in kleinere Provinzen aufgeteilt und die einzelnen Herzoge haben sich unerbittlich bekämpft. Theoretisch war der Herzog von Małopolska mit Kraków als die Hauptstadt das Oberhaupt des gesamten Staates. In der Tat musste er seine Position ständig verteidigen. Die Zerstörung der Stadt durch die Mongolen war jedoch ein Anstoß zur weiteren Entwicklung. Bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts wird Kraków zu der wichtigsten Stadt und der Hauptstadt des Staates. Das wird 1320 durch die seit langer Zeit erste Krönung eines polnischen Königs besiegelt. Als die Piasten-Dynastie ausstirbt, ist Polen bereits ein mächtiger Staat in Mitteleuropa. Als die Jagiellonen-Dynastie den Thron besteigt, wird das aus Kraków regierte Polen zu einem der größten Staaten Europas, der sich zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer erstreckt. Zur Zeit der Reformation wird das Land zu einem Vorbild für Toleranz in Europa und zu einem Zufluchtsort für unterschiedliche, aus religiösen Gründen Verfolgte aus dem ganzen Kontinent. Genauso wie für Juden, die, aus ganz Europa vertrieben, ihren Platz im polnischen Königreich und in Kraków gefunden haben.

In der einzigen Synagoge der Welt...

Zur Zeit der Mongolenkriege 1264 hat einer der polnischen Herzöge das Statut von Kalisz, eine Reihe von Gesetzen erlassen, die die Rechte der jüdischen Bevölkerung garantiert haben, die sich seit dem 11. Jahrhundert auf dem polnischen Gebiet niederlassen. Das Statut garantiert den Juden nahezu vollständige Autonomie und Religionsfreiheit. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als fast überall in Europa, insbesondere in den deutschen Ländern, Massenpogrome an der Tagesordnung waren, wurde Polen zu einem Ort der intensiven jüdischen Ansiedlung für die verfolgten Juden aus Westeuropa. 1334 hat der König Kasimir der Große die Privilegien für Juden auf das gesamte Königreich ausgeweitet und die Juden haben begonnen Polen als „Polin“ zu bezeichnen, was auf Jiddisch „hier wirst du ruhen“ bedeutet. Die Juden haben in unserem Land seit Jahrhunderten gelebt, sie hatten ihre eigenen Schulen, Tempeln und sogar Parlamente. In vielen Städten haben Juden mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht. Die jüdische Kultur hat hier überlebt. Direkt bei Kraków, auf der anderen Weichselseite, ist sogar eine jüdische Stadt Kazimierz gegründet worden, in der katholische Kirchen und Synagogen nebeneinander existiert haben. In einem davon war der berühmte Moshe ben Israel Isserles ein Rabbi, von dem die folgenden Worte stammen:


„Wenn Gott den Juden Polen als Zufluchtsort nicht geschenkt hätte, wäre der Schicksal Israels nicht auszuhalten“. Isserles ist am jüdischen Friedhof in der Mitte von Kazimierz bestattet. Die jüdische Stadt ist bald mit Kraków zusammengewaschen und ist heute ein Stadtteil von Kraków. In Kazimierz steht die Alte Synagoge, also eins der schönsten, bis heute erhaltenen Beispiele gotischer jüdischer Architektur in Europa. Der im 20. Jahrhundert in Kazimierz geborene jüdische Regisseur und Schriftsteller Natan Gross erzählt eine folgende Geschichte:


„Am letzten Tag des Laubhüttenfestes - am Simchat Tora (Freude an der Tora) - feiern die Juden die feierliche Verlesung des letzten Kapitels der Bibel und den Beginn einer neuen Lesung: Am Anfang hat der Herr den Himmel und die Erde geschaffen. Sie tanzen und singen, und danach nehmen alle Betenden traditionell an einem Tanz um die Synagoge teil, mit den Tora-Büchern in den Händen. Es gibt sieben von diesen Runden (Hakafot). Nur in einem einzigen Tempel auf der Welt, nämlich in der Alten Synagoge in Kraków, bricht die Welle der Freude plötzlich mittendrin der vierten Runde ab und die Feiernden beginnen, die Psalmen zu lesen. Diese Tradition erinnert an ein tragisches Ereignis, als die Tataren mitten in der vierten Runde in die Synagoge eingedrungen sind und die Betenden getötet haben. 


Mit den Tataren werden natürlich Mongolen gemeint. Die beiden Legenden über den unterbrochenen Trompetenwarnruf und einen Tanz runden die Geschichte zweier Völker, die seit Jahrhunderten Seite an Seite leben, ab.

Die geistige Hauptstadt Polens

Während der Herrschaft der Jagiellonen-Dynastie hat sich Polen, das mit Litauen durch eine Union vereint war, in den Jahren 1386-1572 zu einem der mächtigsten Staaten Europas und Kraków, seine Hauptstadt sowie das Wawel-Königsschloss zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum entwickelt, wo die für diesen Teil Europas wichtigsten Entscheidungen getroffen wurden. In dem damaligen Polen hat sich eine sonst beispiellose Form der Demokratie entwickelt, in der der Adel gemeinsam mit dem König regiert hat. Nachdem die Jagiellonen-Dynastie ausgestorben ist, hat man die freie Königswahl eingeführt. Die mächtigsten königlichen Familien haben um den polnischen Thron geeifert und ihre Vertreter wurden zu polnischen Königen gewählt. Der König Sigismund III. aus der schwedischen Wasa-Dynastie (obwohl er auch ein Nachfahre des polnischen Königs war) hat 1598 damit begonnen, seinen Hof nach Warszawa zu verlegen, das fortan als die inoffizielle Hauptstadt des Staates galt. Infolge unglücklicher Kriege und Schwächung Polens im späten 18. Jahrhundert ist das Land durch seine mächtigen Nachbarn: Russland, Österreich und Preußen aufgeteilt worden. Die Polen haben für 123 Jahre ihren Staat verloren und waren Repressionen, Entpolonisierung und Entzug der nationalen Kultur ausgesetzt. In diesen Jahren ist die Rolle von Kraków sehr verfallen, die ehemalige Hauptstadt wurde zu einer Provinzstadt, ist aber die geistige Hauptstadt Polens stets geblieben. Hier, in der Wawel-Kathedrale liegen die polnischen Könige als Zeugen der einstigen Größe des Staates begraben. Hier, in den Kirchen sind die sterblichen Überreste legendärer polnischer Heiliger beigesetzt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich Kraków zu einer Stadt entwickelt, in die Polen aus allen Richtungen gezogen sind, um ihre Kultur auszuleben. Und was hat diese Geschichte mit dem Mariacki-Hejnał zu tun? Er ist gemeinsam mit Polen verschwunden.


Bereits 1810 ist er mit all seiner Symbolik wieder eingeführt worden und signalisiert seitdem seine Präsenz in alle Welt. Kraków, einem der Teilungsmächte unterstellt, wurde zur inoffiziellen Hauptstadt Polens. Hier hat man mit großem Ernst an die Jubiläen großer polnischer Taten, wie die Schlacht bei Tannenberg oder die Befreiung Wiens, gedenkt und diese gefeiert. Hier hat man auch die Jubiläen großer Künstler veranstaltet, die mit ihren Werken den polnischen Geist lebendig gehalten haben. Kein anderes Volk auf der Welt hat wahrscheinlich seine Dichter so sehr verehrt, und nirgendwo auf der Welt haben sich die Dichter als Anführer der Volkseele gefühlt. Nach ihrem Tod, oft im Exil, hat man sie eben in Kraków mit allen Ehren bestattet. Diese Zeremonien waren stets vom Trompetenwarnruf aus der Marienkirche begleitet worden.

Der Ruf der Freiheit...

Mariacki-Hejnał hat auch die Soldaten von Józef Piłsudski begleitet, die im August 1914 von Kraków aus aufgebrochen sind, um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs für den Kampf um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen zu nutzen. In der Umgebung von Kraków und in Małopolska haben die Kämpfe der ersten Phase des polnischen Kampfes um die Wiedererlangung der Unabhängigkeit stattgefunden. Es war kein Zufall, dass die ersten Städte auf den polnischen Gebieten, die 1918 ihre Unabhängigkeit erklärt haben, Städte in Małopolska waren: Zakopane, Tarnów und eben Kraków. Es ist unglaublich, dass ein Land, das 123 Jahre lang unter fremder Herrschaft gelitten hat (fünf Generationen ohne die eigene Staatlichkeit!), innerhalb weniger Monate einen starken neuen Staat aufgebaut hat, der nur ein Jahr darauf einen tödlichen Kampf nicht nur um seine eigene Existenz führen musste. Das kommunistische Russland hatte vor, nicht nur das wieder unabhängige Polen zu zerschlagen, sondern auch einen Krieg in ganz Europa zu entfachen, indem es nach Berlin und Paris greifen wollte.

„Der Polenkrieg war der wichtigste Wendepunkt nicht nur in der Politik Sowjetrusslands, sondern auch in der Weltpolitik. […] Dort, in Europa lag alles zum Greifen nah. Aber Piłsudski und seine Polen haben zu einer gigantischen, unerhörten Niederlage der Weltrevolution geführt.“


- so Wladimir Lenin über den polnisch-bolschewistischen Krieg. Das war eine enorme Mobilisierung der gesamten Nation, innerhalb weniger Wochen haben sich fast hunderttausend Freiwillige für die Armee gemeldet. Diese sind auch aus Kraków gekommen, wie der von Zdzisław Jan Tarnowski gegründete Krakauer Freiwilligenzug, der eine der berühmtesten polnischen Pferdeeinheiten verstärkt hat - das 8. Ulanenregiment des Fürsten Jozef Poniatowski, damals Krakauer Landregiment genannt. Höchstwahrscheinlich ist er zu den Klängen des Mariacki-Hejnałs ins Feld gezogen. Das Regiment konnte bald eine entscheidende Rolle in der größten Kavallerieschlacht des 20. Jahrhunderts spielen, als die Polen nach der Schlacht von Warschau (bekannt als die 18. wichtigste Schlacht der Weltgeschichte) bei Komarowo die Rote Armee endgültig zerschlagen und damit die Pläne der Bolschewiki zur Übernahme Polens und Europas zunichte gemacht haben. Neben den Polen haben in diesem Krieg auch Franzosen (z.B. der spätere französische Präsident Charles de Gaulle), Engländer und Amerikaner mitgekämpft. Der aus den USA stammende Merian C. Cooper, dessen Vorfahre an der Seite von Kazimierz Puławski im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte, wollte sich bei den Polen bedanken und hat eine Lufteinheit organisiert, in der hauptsächlich Amerikaner gekämpft haben. Diese hat an der Front eine wichtige Rolle gespielt. Nach dem Krieg ist er zu einem der wichtigsten Filmproduzenten aufgestiegen, der den berühmten „King Kong“ von 1933 produziert hat. Auch ein gewisser Eric Philbrook Kelly, der eine der wichtigsten Rollen in der Geschichte des Mariacki-Hejnałs spielen wird, hat ebenfalls in der polnischen Armee gedient. Auf ihn kommen wir noch zurück.


Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit hat Kraków im wirtschaftlichen und politischen Sinne keine wichtige Rolle in Polen gespielt. Doch bereits 1927 hat sich die Stadt wieder gemeldet. In diesem Jahr hat der polnische Rundfunk zum ersten Mal den Warnruf aus der Marienkirche pünktlich zum Mittag live übertragen. Die Polen konnten jetzt ihre Uhren nach der Melodie des Mariacki-Hejnałs stellen, das von nun an in jedem polnischen Haushalt live zu hören war. Es ist auch die am längsten, ununterbrochen übertragene Radiosendung der Welt. Auch die größte polnische Bestattungsfeier, die im Mai 1935 stattgefunden hat, als einer der Väter der polnischen Unabhängigkeit, der Marschall Józef Piłsudski, gestorben ist, wurde durch Hejnał begleitet. Den Sarg mit seinem Leichnam hat man aus Warszawa nach Kraków gebracht und ihn hier auf einer Kanonenrampe über den Hauptmarkt vor der Marienkirche zu den Königsgruften auf dem Wawel-Hügel überbracht. Fünf Jahre später, als zunächst Deutschland und dann die Sowjetunion Polen im September 1939 überfallen haben, begann der Zweite Weltkrieg. Der Warnruf musste wieder verstummen. Die Deutschen haben ihn verboten. In diesem schrecklichsten aller Kriege sind fast sechs Millionen Polen, davon drei Millionen Polen jüdischer Herkunft getötet worden.

Das gespielte Hejnał befreit die asiatischen Krieger von einer Fluch und weist ihnen den Weg nach Rom

Die Polen haben an allen Fronten des Zweiten Weltkriegs mitgekämpft und sind gestorben. Sie waren die viert größte Kraft der alliierten Streitkräfte. Hier hat man den größten Untergrundstaat der Welt mit eigener Verwaltung, Justiz und einer Untergrundarmee von rund 390.000 Soldaten gegründet. Wenn Sie dem Hejnał lauschen, sollen Sie von zwei weiteren Geschichten erfahren, die sich während des Zweiten Weltkriegs ereignet haben und mit dem Warnruf in Verbindung stehen. Lass uns hören.


4777 km von Kraków entfernt, in Samarkand, fast in der Mitte Asiens, im fernen Usbekistan, das damals zu Sowjetrussland gehört hat, sind die polnische Truppen gebildet worden. Woher kommen sie dahin? Nach der Besatzung Polens durch die Sowjetunion ist fast die Hälfte des Landes und die Hälfte seiner Bevölkerung unter die kommunistische Herrschaft geraten. Hunderttausende sind ins ferne Asien, meist in die Arbeitslager deportiert worden. Rund 20 000 polnische Offiziere sind in spezielle Lager geschickt, wo sie bald durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet wurden. Das ist das so genannte Verbrechen von Katyń. Nur wenige haben es geschafft, zu überleben. Einer von ihnen war der Protagonist einer Kurzgeschichte „Der Trompeter aus Samarkand“ vom Schriftstellers Xavier Pruszyński. Als Deutsche die Sowjetunion angegriffen haben, hat der sowjetische Führer - Josef Stalin, der zuvor den Befehl zur Ermordung polnischer Offiziere gegeben hat, die Bildung einer polnischen Armee erlaubt und viele Polen aus den dortigen Lagern befreit. Samarkand war einer der Sammelpunkte. Hier, im Herbst 1941, ist eine echt merkwürdige Geschichte passiert. In den polnischen Lager sind muslimische Geistige gekommen mit einer Bitte, eine Melodie zu spielen, die für ihr Volk zum Fluch geworden ist. Hier haben die tapferen Usbeken gewohnt, deren Volk einst ein Teil des Mongolenreiches und an Raubfahrten gegen Polen und Kraków beteiligt war. Angeblich war das ein usbekischer Krieger, der den Trompetenspieler vom Turm der Marienkirche erschossen hat. Die Stadt konnte sich retten und das usbekische Heer mit der ganzen mongolischen Armee erlitt eine Niederlage. Sogar ein usbekischer Fürst ist dabei getötet worden. Danach fühlten sich die Angreifer vom Pech verfolgt. Ihre Geistige haben angedeutet, dass der Trompetenspieler die Stadtbewohner zu einem Gebet gerufen haben musste. Seine Tötung war ein Sakrileg, ungeachtet des Glaubens, zu dem sich die Menschen in der fernen Stadt bekannt haben. Der Fluch konnte nur dann aufgehoben werden, wenn ein Trompeter aus diesem Land in Samarkand erscheint und den Trompetenwarnruf, der auf so tragische Weise abgebrochen wurde, zu Ende spielt. Und ein polnischer Soldat hat Mariacki-Hejnał für sie gespielt. Es ist eine der schönsten polnischen Legenden. Diese Geschichte ist vielleicht nie passiert, aber wir Polen glauben daran, dass es so gewesen sein muss. Eine andere Geschichte ist allerdings wahr.


Einer der Soldaten dieser Armee, die in Samarkand stationiert war und später durch den Nahen Osten gezogen und ein Teil der alliierten Kräfte, die Italien angegriffen haben, wurde, war der Schütze Emil Czech, der aus einer kleinen Stadt Bobowa in Małopolska stammte. Es war im Mai 1944, als die Deutschen sich in Italien an der so genannten Gustav-Linie - einem stark befestigten und schwer einzunehmenden Befestigungsstreifen, der durch den schmalsten Teil der Appenin-Halbinsel verläuft, verteidigt haben. Dies soll die endgültige Grenze des Dritten Reiches sein. Die Deutschen haben ihn seit Januar 1944 verteidigen können, ihn durchzubrechen hat den Weg nach Rom und den direkten Weg zum Sieg geöffnet. Die Alliierten haben vergeblich versucht, den Widerstand der deutschen Truppen zu brechen. Die heftigsten Kämpfe haben am Monte Cassino stattgefunden, wo eins der ältesten und größten Klöster der Welt steht. Ein britischer Historiker schrieb:


„Die Schlacht um Cassino - die größte Landschlacht Europas - war die härteste und blutigste Schlacht zwischen den Westalliierten und der deutschen Wehrmacht an allen Fronten des Zweiten Weltkriegs. Auf der deutschen Seite haben viele sie wenig schmeichelhaft mit Stalingrad verglichen.“


Die Briten, Amerikaner und die französischen Kolonialtruppen, dann erneut Engländer und Amerikaner haben versucht, diesen Abschnitt zu einzunehmen. Sie haben alle dabei versagt. Dann kommen die Polen ins Spiel. Es war nicht nur ein militärischer Kampf, sondern auch ein Kampf um die Ehre. Am Monte Cassino haben die polnischen Soldaten gegen die deutsche 10. Armee gekämpft. Das war dieselbe Armee, die als erste am 1. September 1939 in Polen einmarschiert ist. Die polnischen Kämpfer unter mörderischem Beschuss und mit großen Verlusten haben die Deutschen zurückgedrängt, in der Hoffnung, dass ihr Opfer den Entschluss der Alliierten, Polen an die Sowjetunion zu übergeben, noch wenden kann. Der Hügel von Monte Cassino wurde eingenommen und der Weg nach Rom geöffnet. Dann kommt der Schütze Emil Czech aus Bobowa ins Spiel. Am 18. Mai 1944 hat er um die Mittagszeit in den Ruinen des Klosters die polnischste aller polnischen Melodien gespielt, nämlich Mariacki-Hejnał. Als Zeichen eines, nicht nur militärischen Sieges. Es war ein Zeichen für den Sieg des Geistes einer unabhängigen Nation. Man hat beschlossen, Hejnał früh am Morgen zu spielen. Diese Aufgabe wurde an Czech delegiert, der vor dem Krieg in Kraków gedient hatte. Er brach gegen 10 Uhr morgens nach Monte Cassino auf. Er musste mehrere Kilometer zurücklegen. An den deutschen Stellungen konnte man noch den Donner der Granatwerfer hören. Polnische und alliierte Soldaten mussten noch sterben. Das Auto, mit dem Czech unterwegs war, ist an Leichen von Soldaten aus fast allen Armeen der Welt vorbei gefahren. Der letzte Abschnitt musste er Felsen besteigen. Er hat es genau vor zwölf Uhr geschafft. Unter einer wehenden rot-weißen Fahne hat er vor Augen polnischer und alliierter Soldaten das Mariacki-Hejnał in die Welt gespielt.

Amerikaner in Kraków, oder woher die Geschichte vom abgebrochenen Hejnał kommt

Eric Philbrook Kelly, den wir bereits erwähnt haben, hat im polnisch-bolschewistischen Krieg an der Seite der Polen mitgekämpft. Nach dem Krieg hat er die bolschewistische Propaganda in den USA bekämpft und später ein Wissenschaftler geworden. 1925 ist er nach Kraków gekommen, wo er als Dozent an der Jagiellonen-Universität tätig war und sich für die Geschichte von Polen und Kraków interessierte. Er hat seine Stadtführerin Aniela Pruszyńska danach gefragt, warum das Hejnał so abrupt endet. Diese hat sich ganz spontan eine Geschichte über den Trompeter einfallen lassen, der von einem mongolischen Pfeil getroffen wurde. 1928 hat Kelly ein Buch „The Trumpeter of Kraków“ („Der Trompeter von Kraków“) veröffentlicht. Auf diese Weise entstand eine der schönsten polnischen Legenden. Und daran gibt es auch keinen Zweifel, denn diese Geschichte war in früheren Quellen nicht bekannt.


So endet die Geschichte. Und wenn Sie den Trompetenwarnruf vom Turm der Marienkirche gehört habt, dann denken Sie daran, wie viel Inhalt und Geschichte in diesen fünf einfachen Tönen enthalten sein kann. Dann erklettern Sie 239 Treppen bis zur Spitze des Turms der Marienkirche und denken Sie an die Geschichte Polens nach.

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